#90 – Kannst du richtig Zuhören? – mit Prof. Dr. Margarete Imhof

Das richtige Zuhören ist der entscheidende Faktor für ein gutes Hörverstehen in einer Fremdsprache. Aber weißt du eigentlich, was der Unterschied zwischen Hören und Zuhören ist? Bist du selbst ein guter Zuhörer? Es ist eine Fähigkeit, die man trainieren kann. Wie das geht, hat mir Dr. Margarete Imhoff in dieser Podcast-Folge erklärt. Sie ist Expertin fürs richtige Zuhören und sie weiß auch, wie du durch richtiges Zuhören die Menschen in deiner Muttersprache, aber auch in einer Fremdsprache deutlich besser verstehen kannst. Das und mehr erfährst du in dieser Folge von Deutsches Geplapper. 

Herzlich willkommen bei Deutsches Geplapper. Ich bin Flemming, Deutsch-Coach von Natural Fluent German. Dieser Podcast ist für dich, wenn du dein Hörverstehen verbessern, deinen Wortschatz erweitern, das echte Alltagsdeutsch kennenlernen und mehr über Deutschland erfahren möchtest. Die Transkripte zum Mitlesen findest du unter www.naturalfluentgerman.com. Übrigens, Deutsches Geplapper gibt’s auch bei YouTube. Und nun viel Spaß beim Hören. 

Flemming:
Ja, moin liebe Deutschlernerin, moin lieber Deutschlerner. Willkommen zu einer neuen Folge von Deutsches Geplapper, dein Lieblings-Podcast, hoffe ich zumindest. Und ich sitze heute hier mit Professor Dr. Margarete Imhof. Hi Margarete, schön, dass du da bist. 

Margarete:
Ja, hi Flemming, danke für die Einladung. 

Flemming:
Ja, ich freue mich mega, dass du hier bist. Und ich würde gleich direkt mal einsteigen, die Leute wissen gar nicht so richtig, was du machst. Ich formuliere es jetzt mal ganz, ganz platt. Du bist Expertin für richtiges Zuhören. Ja, das ist jetzt eine ganz, ganz kurze, platte Umschreibung. Aber ich mache das absichtlich, weil ich möchte, dass du dich selbst noch mal vorstellst und einfach mal sagst, was genau du wirklich machst. 

Margarete:
Ja, also eigentlich hast du es schon ganz gut erfasst. Also es ist ja…Zuhören ist ja etwas, was sehr oft unterschätzt wird. Wenn wir, stellen wir uns vor, wir können sehen, ja, als Kinder können wir sehen. Aber deswegen können wir noch nicht lesen. Das heißt, lesen müssen wir lernen. Lesen lernen ist mühsam. Wir müssen Vokabeln lernen und wir müssen die Zeichen, die Symbole lernen. Beim Zuhören müssen wir genau dasselbe machen. Natürlich können wir hören. Wir kommen auf die Welt und wir können hören, die allermeisten von uns. Jedoch ist Hören noch nicht zugleich Zuhören. Und mich interessiert, was unterscheidet das Hören vom Zuhören? Was müssen wir noch lernen, damit aus dem Hören ein Zuhören wird? Und das ist ein tolles Forschungsfeld und da kann man sich viele Jahre mit beschäftigen. 

Flemming:
Aha, das glaube ich. Das ist wirklich sehr interessant, weil das ist ja wirklich, wie du sagst, etwas, was man nicht in der Schule oder sonst wo lernt. Wir haben das Gehör, wir haben die Fähigkeit aufzunehmen, was jemand sagt oder Geräusche wahrzunehmen, aber wir sind einfach, wir wissen nicht, was wir genau machen müssen, um das auch im Detail zu erfassen, was von außen kommt. Ja, genau. Ja, ich habe… Ja, erzähl erstmal. 

Margarete:
Ja, nein, es ist, also du hast völlig recht, wir wissen nicht, was wir machen sollen, aber wenn man zum Beispiel Lehrern und Lehrerinnen zuhört, wenn man Eltern zuhört, die sagen alle, „Oh je, unsere Kinder, die können gar nicht mehr zuhören. Unsere Kinder, die haben das Zuhören vergessen.“ Und in Wirklichkeit, genau genommen, wir haben unseren Kindern das Zuhören nie gezeigt. 

Flemming:
Genau, ja, sehr gut, da kommt mir gerade der Gedanke, dass es wahrscheinlich auch gerade heute aktueller denn je ist, weil wir ja durch unendlich viele Dinge in unserem Alltag, gerade Thema Smartphones und so weiter, abgelenkt sind, was wahrscheinlich das Zuhören noch erschwert. Aber wie du sagst, das hat wahrscheinlich gar nicht mal so viel damit zu tun, sondern das ist schon ein Problem, was weit zurückreicht in die Vergangenheit oder schon seit immer existiert, oder? 

Margarete:
Ja, ja, das schon immer existiert und das wir… zu dem wir aber auch wirklich relativ wenig wissen. Wir wissen relativ viel zum lesen lernen, wir wissen relativ viel dazu, was Lehrer und Lehrerinnen machen müssen, damit die Kinder lesen lernen, also lesen, lernen und lehren, da wissen wir relativ viel. Beim Zuhören sind wir noch sehr am Anfang, das ist so. 

Flemming:
Okay, da gehen wir gleich noch ein bisschen tiefer rein, ich habe aber vorher, also in Vorbereitung auf diese Podcast-Folge mit dir, habe ich mir so selbst auch Gedanken gemacht für mich, also um das jetzt gleich mal so, um in ein konkretes Beispiel zu gehen, Gedanken gemacht, was es für mich bedeutet, richtig zuzuhören, wie ich das vielleicht selbst in der Vergangenheit erlebt habe. Und da fiel mir direkt ein, also ich habe früher als Journalist gearbeitet und ich kann mich an Situationen erinnern, das ist, naja, peinlich würde ich nicht sagen, aber es ist ein bisschen unangenehm, muss ich sagen. Weil zumindest damals war es für mich so, wenn mein Chef oder ein vorgesetzter Redakteur mit mir gesprochen hat, gerade in den ersten Monaten habe ich das häufig erlebt, da war ich dann immer sehr nervös. Ich habe so einen Druck verspürt und habe mir selbst gesagt, „Flemming, du musst jetzt zuhören, sonst verpasst du die Aufgabe! Du musst jetzt zuhören, sonst musst du später zehnmal nachfragen, was er eigentlich wollte und dann wird es immer unangenehmer und deswegen musst du jetzt genau zuhören, also höre jetzt zu, höre jetzt zu!“ Und was ist am Ende passiert? Ich habe nicht zugehört. Also ich glaube, das ist so ein ganz typisches Beispiel, oder? Ich frage mich, was habe ich da falsch gemacht, was hätte ich besser machen müssen? 

Margarete:
Ja, also der erste Schritt ist schon ganz gut, dass du sagst, ich will jetzt zuhören, das ist eine Sache, das muss man sich wirklich vornehmen, weil sonst, ja, hört man dahin und dahin und dann ist da draußen noch was und dann fällt noch was runter, was klappert und so. Der erste Schritt ist schon richtig, jedoch hast du dann sozusagen dein ganzes Gehirn damit vollgemacht, dass du gesagt hast, „Oh Gott, ich darf das nicht verpassen. Was passiert, wenn ich es verpasse? Das wird peinlich, das wird doof, der mag mich nicht mehr, ich verliere meinen Job…“ Das heißt, der Prozessor im Kopf, der ist beschäftigt, der hat gar keinen Platz für die neue Information, ja. Das heißt, was du brauchst, ist eine Übung in der Selbstregulation, die da sagt, „Gut, ich will jetzt zuhören und ich muss…“ Das kann man üben, die anderen Gedanken abschalten, also das kann man üben, man kann das besser machen. Nicht indem man die Katastrophe sich überlegt, was passiert, wenn es schief geht, sondern man kann das besser machen, wenn man sich überlegt, „Was muss ich tun, damit das klappt?“ 

Flemming:
Also positive Denkweise. 

Margarete:
Ja, kann man sich überlegen, bin ich jemand, der einen Block und einen Stift braucht? Bin ich jemand, der vielleicht auch mal sagen muss, „Eine Sekunde bitte, ich muss das eben notieren“, also bin ich jemand, der sich eine Pause erbitten muss? Oder habe ich mein Gedächtnis sozusagen gut trainiert und kann das alles aufnehmen, oder bin ich vielleicht auch jemand, der gelernt hat, freundlich und klug zurückzufragen? Ja, „Habe ich sie richtig verstanden, dass mein Auftrag das und das ist?“, also dass man eben nicht nur beim Zuhören sich vornimmt, was man vermeidet, sondern dass man sich vornimmt, wie man aktiv, konkret vorgehen möchte. Wo sind meine Stärken? Manche, ich habe auch schon mit Journalisten gearbeitet, die dann gefragt haben, „Darf ich das aufzeichnen, was wir besprechen?“ Das heißt, man muss sich wirklich vorher überlegen, was kann ich als Zuhörer, als Zuhörerin aktiv tun, damit ich mein Bestes geben kann? 

Flemming:
Ja, okay.

Margarete:
Und diese Katastrophenszenarien, die kommen natürlich auch, aber die besetzen einfach zu viel Platz und dann rauscht alles nur noch durch. 

Flemming:
Okay, ich denke mal, das kennt jeder aus irgendeiner Lebenssituation, also ich denke, viele Leute haben das schon erlebt. Genau, aber das, was du gesagt hast, setzt natürlich voraus, dass man auch einigermaßen selbstreflektiert ist, dass man sich selbst auch gut kennt und in verschiedenen Situationen, ja, oder verschiedene Situationen schon durchlaufen hat, damit man weiß, wie man reagieren muss oder was man kann, was man vielleicht eben auch nicht so gut kann. Und das ist dann wahrscheinlich auch völlig normal, dass es da unterschiedliche Typen gibt, wie du sagst. Der eine kann besser alles erfassen und sich schnell merken, der andere braucht eben Zettel und Stift und muss es aufschreiben. 

Margarete:
Und manche brauchen Zettel und Stift und müssen nur irgendwas machen, die müssen noch gar nicht mal was aufschreiben, was sie hören, sondern nur irgendwie Doodles auf dem Papier machen, damit man fokussiert bleibt. 

Flemming:
Ja, okay, sehr gut. 

Margarete:
Aber vielleicht noch der Gedanke dazu, also man kann das üben. Ich sehe das sehr häufig bei Menschen, die bei mir mündliche Prüfungen machen, ja. Wenn man vorher geübt hat, in einer Fake-Situation, auf Fragen zu hören oder auf, ja überhaupt, auf einen Prüfer zu hören, dann fällt das in der Prüfung leichter und es sind oft Menschen, die viele Ängste haben, die genau das aber nicht machen. Die nicht vorher mal üben, wie ist denn das, ja, wenn ich in Ruhe auf eine Frage hören soll? Aber das ist alles zu üben, das ist das Schöne am Zuhören, man kann es üben. 

Flemming:
Genau, okay, dann gehen wir darauf gleich mal ein bisschen näher ein. Was genau könnte ich denn jetzt machen, wenn jetzt die Hörerinnen und Hörer hier sich fragen zu Hause, was sie machen müssen, um besser zu hören, was andere sagen, was könnte ich konkret tun, was wären da so Schritte? 

Margarete:
Naja, also man kann, um Zuhören zu üben, sich zunächst mal überhaupt etwas vornehmen. Also man kann zunächst mal gucken, dass man eine ganz klare Absicht hat. Worauf will ich denn überhaupt hören? Also will ich jetzt auf die Persönlichkeit des Sprechers hören? Will ich auf den Inhalt hören? Oder will ich eigentlich nur zur Unterhaltung hören? Also wenn ich das Radio anmache, will ich wirklich hören, was der Wetterbericht sagt oder will ich einfach nur Entertainment haben beim Kochen? Also man muss sich das wirklich bewusst machen. Was man auch machen kann, um das zu üben, ist, dass man sich mal klar macht, was man an Informationen aufnimmt. Beim Zuhören hört man natürlich die Wörter, die Sprache. Aber man hört auch die Stimme, ist jemand gesund, ist jemand aufgeregt, ist da jemand ganz zittrig? Ist jemand schüchtern, verhalten, selbstbewusst? Man kann auch sagen, ok, ich achte auf die Wortwahl. Also macht jemand lange Sätze, benutzt jemand viele Fremdwörter oder eine einfache Sprache? Da kann man sich drauf fokussieren, man kann auch schauen, wie sieht das Gesicht dieser Person aus? Also ist die ernsthaft dabei, sind da Emotionen dabei oder erzählt die halt einfach irgendwas, weil sie was erzählen muss und so? Ja, also da kann man sich so kleine Aufgaben geben und dadurch lernt man dann auch eben genauer hinzuhören und man kriegt mehr mit, man kriegt mehr raus. Also das sind so Kleinigkeiten, wo man dann schneller drauf kommt, wie man so tickt und wo man dann auch, wenn man fertig zugehört hat, auch noch einmal die Möglichkeit hat zu überlegen, habe ich vielleicht was übersehen? Oder habe ich diese Person vielleicht falsch verstanden, weil ich vergessen habe, dass diese Person aus einer anderen Kultur kommt? Also es gibt ja Kulturen, da redet man sehr viel mit Händen und so und dann denken wir vielleicht, der ist sehr emotional involviert und vielleicht war er eigentlich ganz normal, weil das da halt so ist. 

Flemming:
Stichwort Italiener.

Margarete:
Ja, da denkt man immer, boah, das gibt jetzt echt Ärger, so wie die drauf sind und dabei ist das sozusagen ganz reguläre Unterhaltung. Oder auch Leute, die nicht so viel gestikulieren, dass man denkt, der ist emotional oder die ist emotional gar nicht dabei, ja, dabei macht man das in dieser Kultur einfach nicht. Oder auch der Blickkontakt, es gibt auch Kulturen, die verbieten den Blickkontakt mit fremden Menschen und als Zuhörer wundert man sich dann, „Okay, mag der mich nicht, was hat der gegen mich, ist der feinselig?“ Der ist nicht feinselig, sondern das macht man da einfach nicht. 

Flemming:
Das heißt, also wenn…Ja, Entschuldigung, jetzt wollte ich dich nicht unterbrechen. Wenn ich dich richtig verstehe, geht das richtige Zuhören weit über die Ohren hinaus, sozusagen, ja? Also es ist viel mehr, es ist quasi, könnte ich daraus also schlussfolgern, richtiges Zuhören, mache ich mit allen Sinnen oder fast allen Sinnen, wäre das eine richtige Schlussfolgerung? 

Margarete:
Total, das ist genau richtig. Nur wir vergessen das manchmal und wir, ja, also wir tun so, als wäre Zuhören nur etwas über die Sprache, aber Zuhören ist deutlich mehr als Sprache, ganz über alle Sinne. Übers Sehen, auch übers Riechen, ja. Versuchen Sie mal jemandem zuzuhören, der neben Ihnen steht und… 

Flemming:
…Nach Knoblauch riecht oder so. 

Margarete:
Irgendwas, was Sie nicht mögen, ja, oder jemand, der super starkes Parfüm hat und sie sind allergisch gegen Pfeilchen. Sie können dieser Person nur schwer genauso gut zuhören, wie jemand, der angenehmer, also das ist sehr subjektiv, riecht. Oder stellen Sie sich einfach vor, es gibt da jemanden, von dem wollen Sie was, ja, weil Sie diese Person super attraktiv finden. Wie gut hören Sie denn dazu? Gar nicht. Ja, diese Person kann den größten Blödsinn erzählen und Sie finden die toll. 

Flemming:
Genau, ich nicke trotzdem nur die ganze Zeit. 

Margarete:
Ja, super… Und Sie machen alles, damit das was wird. Also, ja, Zuhören ist mit allen Sinnen. 

Flemming:
Das ist mega interessant. Ich glaube, da kann man schon sehr viel für sich selbst lernen oder für sich selbst mitnehmen. Die Frage ist jetzt, also wenn wir jetzt in den Bereich Fremdsprachenlernen gehen, Deutsch lernen, Fremdsprachen lernen, wir reden dann vom Hörverstehen. Wir reden davon, dass wir erfassen wollen, was der Sprecher, die Sprecherin sagt. Wir achten dann eben auf die Aussprache, wir achten auf den Sprachrhythmus und so weiter. Du hast ja eben auch schon gesagt, man muss sich vorher so ein bisschen das Ziel setzen, zu überlegen, was will ich jetzt eigentlich? Ja, die meisten Sprachenlerner wollen einfach das Vokabular erfassen, damit sie wissen, wie sie reagieren können. Hilft es denn jetzt, wenn wir das jetzt mal so quasi übertragen, hilft es denn jetzt, sich von vornherein zu sagen, okay, ich weiß, ich werde jetzt gleich in einer Fremdsprache reden oder jemandem zuhören, der eine Fremdsprache spricht. Hilft es da, sich dann selbst zu sagen, ich achte jetzt mal auf mehr als nur die Vokabeln oder wäre das vielleicht schon eher kontraproduktiv, weil es dann zu viele Eindrücke sind? 

Margarete:
Ja, also, es ist schon richtig, gerade wenn man die Sprache, der man zuhört, noch nicht so gut kann, wie die eigene Muttersprache, kann es sehr schnell zu viel werden. Ich denke, zum Üben ergibt es viel Sinn, mehrfach zuzuhören und wirklich zu sagen, okay, jetzt achte ich nur mal auf die Vokabeln. Ein zweites Mal, vielleicht jetzt achte ich nur mal auf die Intonation oder ich achte nur mal auf die Dynamik, die diese Person beim Sprechen einsetzt. Also, nicht alles auf einmal. Das wird schnell zu viel und wenn man dann so springt, einmal achtet man auf das Vokabular und dann auf die Intonation und dann wieder auf dieses und jenes, dann ist man total verloren. Also, dass man vielleicht mehrfach sich was anhört, auf verschiedene Dinge achtet und dass man vor allem nicht wirklich… Also, der schwierigste Fokus ist der Fokus auf einzelne Worte und das machen Sprachenlerner sehr oft. Sie lernen diese Worte in Isolation und dann hören sie einem Sprecher zu und verstehen gar nichts. Also, wo sind jetzt die Wörter? Also, man kann zum Beispiel schon beim Lernen der Vokabeln darauf achten, dass man keine isolierten Wörter lernt, sondern dass man gleich in Richtung von Phrasen geht oder verbundenen Wörtern, dass man sich die vielleicht selbst auch laut aufsagt oder irgendwie eine Form findet, eben nicht einzelne Wortgleichungen zu lernen, sondern wirklich diese Phrasierung gleich mit dabei hat. Denn im echten Leben setzen Menschen ja Sprache nicht Wort für Wort für Wort zusammen. 

Flemming:
Ganz genau.

Margarete:
Und da kann man sich darauf vorbereiten, um dann auch beim Zuhören schneller zurecht zu kommen, weil man schon an diese, weil man schon geübt hat, auf diese längeren Phrasen zu achten. 

Flemming:
Ja, ganz genau. Ja, das ist ganz wichtig. Also, das habe ich schon im Podcast auch einige Male erwähnt. Leute, die mich kennen, die wissen das. Aber das ist schön, dass du es selbst auch noch mal als Zuhör-Expertin sagst. Dieses isolierte Lernen ist in den meisten Fällen einfach kontraproduktiv und hilft vielleicht, wenn man einen Vokabeltest am nächsten Tag schreibt. Aber das ist eben nicht die Lebensrealität. Und das wollen wir hier auch nicht erreichen. Genau, deswegen dieses komplexe Hören einfach auf jeden Fall die Maßgabe. Und genau, was du vorher noch gesagt hast, ist auch ganz interessant, darauf zu achten bzw. jetzt sich ein Ziel zu setzen. Ich habe daran gedacht, wie ich vor einigen Monaten angefangen habe, Portugiesisch zu lernen und da ganz gezielt am Anfang erst mal überhaupt die Aussprache kennenlernen wollte. Das hat mich ein bisschen daran erinnert, weil ich wusste, okay, wenn ich mir jetzt dieses Audio anhöre, werde ich kaum was verstehen. Ich spreche Spanisch, deswegen ist es für mich ein bisschen einfacher, da einige Wörter zu erfassen. Aber vorrangig ging es mir damals eher darum, die Aussprache kennenzulernen, den Sprachrhythmus vom Spanischen vor allem auch zu unterscheiden. Und das wäre ja so ein Beispiel für, ich setze mir dieses Ziel, es geht mir jetzt um Sprachrhythmus und Aussprache. Und es geht mir nicht darum, das alles inhaltlich hier zu verstehen. Das wäre ja genau das, von dem du gesprochen hast. 

Margarete:
Ja, genau. Und das wäre ein sehr gutes, fokussiertes Ziel. Das bringt einen auch ganz bestimmt vorwärts, weil man ja auch dieses Hinhören auf die Intonation wirklich extra üben muss, weil die meisten Sprachen unterscheiden sich natürlich in den Wörtern, klar, aber sie unterscheiden sich mindestens so entscheidend in der Intonation. Und dann ist man ja immer irgendwie als Nicht-Muttersprachler sofort erkennbar, weil man im Englischen das TH nicht hinkriegt, weil man im Spanischen das gerollte R nicht hinkriegt. Und dann irgendwie so, ja, aha. Also das sind so Dinge, die sofort anders sind, aber wir hören die zum Teil auch nicht. Darf ich mal ein Beispiel geben? 

Flemming:
Auf jeden Fall. 

Margarete:
Kennst du vielleicht die Geschichte von Zwergnase? 

Flemming:
Ja, der Name ist mir ein Begriff, aber ich kann es gerade nicht wiedergeben. 

Margarete:
Kannst du wiederholen, wie die Geschichte heißt? 

Flemming:
Ich dachte, sie heißt Geschichte Zwerg… oder ich weiß nicht, ich dachte, es heißt einfach nur „Zwergnase“, also mehr weiß ich nicht. 

Margarete:
Genau, okay. Alles klar. Du hast gesagt, du hast wiederholt, was du denkst, was ich gesagt habe, richtig?

Flemming:
Ja. 

Margarete:
Ja, so. Ich habe aber nicht „Zwergnase“ gesagt. 

Flemming:
Oh.

Margarete:
Ich habe gesagt Zwerg Ngase. 

Flemming:
Okay.

Margarete:
Ich habe einen Laut, den wir im Deutschen niemals am Wortanfang haben… 

Flemming:
Sondern am Wortende. 

Margarete:
Der ist immer am Wortende. Das -NG ist immer am Wortende, habe ich an den Anfang gestellt und du hast aber sofort das richtig gestellt. Dein Kopf hat sofort korrigiert und du hast „Zwerg Nase“ gehört. Du hast keine Sekunde gezweifelt, dass ich Unsinn gesagt habe. 

Flemming:
Also bin ich sehr darauf fokussiert gerade, zu erfassen, also den Inhalt deiner Worte zu erfassen und weniger darauf fokussiert, die einzelnen Laute wahrzunehmen? 

Margarete:
Du bist nicht nur darauf fokussiert, sondern das ist ein Automatismus, den wir haben, dass wir in der Muttersprache die Laute, die zu unserer Muttersprache gehören, sofort korrigieren. Sofort richtig einschätzen. Und weil in deiner Muttersprache, wenn die Deutsch ist, nicht vorkommt, -NG am Wortanfang, dann korrigiert das dein System einfach. Es gibt andere Sprachen, die haben zum Beispiel keinen Unterschied zwischen L und R. Und wenn wir eine Sprache sprechen, in der L und R unterschiedlich sind, kommen diese Menschen, die hören das einfach nicht. Für die hört sich das total gleich an, weil das System darauf geeicht ist, das System ist normiert, diese Unterschiede sofort auszugleichen. 

Flemming:
Okay.

Margarete:
Und das hat nichts wirklich mit dem Fokus zu tun, das ist eine Frage der Übung. Also du musst erst mal lernen, dass eine neue Sprache neue Laute hat, dass die Laute auch unterschiedlich verteilt sind, dass die auch gerade beim Spanischen, Portugiesischen, die werden ja auch unterschiedlich miteinander verbunden, das geht ja munter ineinander über. Für den Lernenden ist es nicht so einfach. Also das merkt ja jeder, also ich weiß nicht, mir ging es beim Spanischlernen so, wenn ich das lese, verstehe ich das ziemlich gut. Aber wenn einer auch nur im Restaurant fragt, was ich zum Essen haben will, dann denke ich, okay, keine Ahnung, was das jetzt ist. 

Flemming:
Ja, genau. Ich denke mal, so geht es den meisten. Nicht nur im Spanischen, aber auch beim Deutschen sagen die Leute, es ist einfach unheimlich schwer, alles zu verstehen, was die Muttersprachler sagen, gerade wenn sie miteinander reden und so weiter. Aber was ich mich jetzt gefragt habe, wäre es denn jetzt schlussfolgernd das Ziel für jemanden, der sein Gehör oder das Zuhören trainieren möchte, wäre es denn das Ziel, diese Wahrnehmung möglichst komplex zu gestalten, dass ich zum Beispiel in dem Fall, in dem Beispiel jetzt eben, was du genannt hast, wenn ich da jetzt gleich erkannt hätte, „Warte mal, Margarete, du hast hier das -NG an den Anfang gesetzt, da stimmt was nicht. Ich habe verstanden, was du willst, aber du hast es falsch, die Laute verdreht hier.“ Wäre das das Ziel, das es zu erreichen gilt, wenn ich mein Zuhören trainieren möchte? 

Margarete:
Nee, nee, nee, da bleibst du ja dann im Detail hängen und es ist ja unwichtig, ob ich jetzt Zwerg Nase oder Zerg Ngase gesagt habe, weil es geht ja dann, ich will mich mit dir ja über die Geschichte unterhalten. Nein, aber es geht darum zu verstehen, wenn ich in einer Fremdsprache Probleme habe, zu verstehen, was jemand sagt, liegt das vielleicht nicht nur daran, dass ich die Wörter nicht kenne, sondern es liegt vielleicht auch daran, dass ich die Laute nicht erkenne. Ja, also dass man beim Sprachenlernen darauf achtet, möglichst viel auditiven Input zu bekommen auch. Wenn man die Sprache sprechen will, nicht nur eben zum Lesen studiert, sondern auch zur mündlichen Konversation studiert, dass man möglichst früh viel verschiedenen Audio-Input bekommt, verschiedene Sprecher, je nach Sprache auch wahrscheinlich verschiedene Dialekte und dass man eben nicht so nach einem Wort sucht und nach einem Wort sucht und nach einem Wort sucht, sondern wirklich sagt, „Wie hört sich das an? Was ist da, wie kriege ich raus, was die Person von mir will und wie kriege ich das raus, ohne dass ich Wort für Wort für Wort verstehe?“ Einfach weil ich verstanden habe, dass die Laute sich für mich möglicherweise fremd anhören, dass es neue Laute gibt, dass es pro Person auch unterschiedlich ausgesprochen wird, also da muss ich mich darauf einstellen. 

Flemming:
Okay.

Margarete:
Und nicht üben. Also das müssen dann die Phonetiker machen, das müssen die machen, die sich mit der Linguistik beschäftigen, die müssen dann diese feinen Unterschiede hören lernen. 

Flemming:
Okay, ja, aber genau, also trotzdem, zum besseren Verstehen hilft es dann eben, die einzelnen Laute besser zu kennen und dafür ist es dann schlussfolgernd auch wieder sicherlich hilfreich, so kleine Aussprachübungen zu machen, bestimmte Laute einfach schnell bilden zu können und automatisch bilden zu können, weil man dann eben das bessere Verständnis auch dafür hat. 

Margarete:
Genua, ja.

Flemming:
Das war der erste Teil meines Gesprächs über das richtige Zuhören mit Dr. Margarete Imhof. Ich fand es sehr spannend, was sie zum Thema Hörverstehen gesagt hat. Nämlich, dass man das Hörverstehen noch verbessern kann, indem man sich beim Hören einer Fremdsprache ganz genau auf die einzelnen Laute konzentriert. Das erlaubt einem nämlich, gerade die Feinheiten noch besser zu unterscheiden und so vor allem schnelle Sprecher noch deutlicher zu verstehen. Nächste Woche erscheint dann der zweite Teil unseres Gesprächs und da wird mir Margarete unter anderem erklären, was ich tun kann, wenn mich mein Gesprächspartner langweilt. Bis dahin wünsche ich dir auf jeden Fall eine schöne Woche. Gib dem Podcast ein Like, abonniere meine Kanäle auf YouTube, Spotify und sonst wo und hinterlasse mir gerne auch einen Kommentar bei YouTube, falls du Fragen zum Thema oder Anmerkungen hast. Ich wünsche dir alles Gute, bleib gesund und bis bald.

Willst du gleich weiterhören? Hier ein paar Vorschläge:

Hier bekommst du das Material für die Translation³-Methode:
https://www.patreon.com/natural_fluent_german?fan_landing=true&view_as=public

Interesse am Deutsch-Coaching? Schreib mir jetzt eine Mail an:

flemming@naturalfluentgerman.com 

und lass uns ein Beratungsgespräch vereinbaren!

Facebook
Twitter
Email
Print

Hol dir jetzt mein E-Book!

Trage dich für meinen Newsletter ein und erhalte mein E-Book “Die 10 Schritte für fließendes Deutsch” gratis!

Neuester Beitrag