Moin Benjamin! Moin Flemming! Wir reden heute über den Begriff Heimat.
Was bedeutet Heimat für uns beide? Was fällt dir da als erstes zu ein?
Als erstes fällt mir dazu eigentlich ein Zitat von Herbert Grönemeyer ein,
einem bekannten deutschen Sänger, den du sicherlich kennst. Und er hat
gesagt: Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl.
Sehr schön. Ich bin auf jeden Fall sicher, dass wir da eine Menge drüber
reden können es da ganz viel zu sagen gibt. Und euch dann viel Spaß bei
dieser Folge. Genau, bleibt auf jeden Fall dabei!
Hi Benjamin, wie geht’s dir? Wie hast du Ostern verbracht?
Ich habe Ostern ähnlich wie letztes Jahr in Tschechien verbracht. Also
nicht bei meiner Familie, also nicht bei meiner deutschen Familie. Von
daher habe ich auch kein Osternest bekommen, keine Ostereier
bekommen, keine Ostereier suchen müssen. Ich habe Ostereier
bekommen, weil wir hier so eine andere Tradition haben, wo die Männer
auch Ostereier bekommen in Tschechien. Allerdings nicht so, dass man sie
selbst im Garten suchen muss. Das habe ich ein bisschen vermisst. Und
natürlich wäre ich auch gerne bei meiner Familie gewesen. Aber im
Rahmen der Möglichkeiten waren es trotzdem schöne Ostern. Und was
hast du gemacht? Ich hab gesehen, dass am Sonntag Hansa Rostock
gegen Dynamo Dresden gespielt hat. Habt ihr das verfolgt?
Natürlich. Das war das absolute Spitzenspiel der Liga für alle, die das noch
nicht wissen, wahrscheinlich die meisten von euch: Ich bin großer Fan des
FC Hansa Rostock, ein Fußballverein hier in Deutschland in der Dritten
Liga. Allerdings war das ein Spitzenspiel Erster gegen Zweiter. Dynamo
Dresden ist Erster, Hansa Rostock Zweiter. Und es wurde einfach nur ein
langweiliges 0:0. Kein einziges Tor. Aber trotzdem war es ein sehr lustiges
Spiel, denn wir haben ein richtig schönes Familienspiel daraus gemacht.
Ich war Ostern bei meiner Familie. Und ja, das ist vielleicht etwas, was ihr
auch mal ausprobieren könnt, wenn ihr nichts Besseres zu tun habt. Und
zwar Fußballertrinken. So nennt man das. Oder Spielersaufen in
Umgangssprache.
Klingt nach einem Trinkspiel. Okay, das ist nichts für mich.
Nichts für dich, nein? Das ist ein Trinkspiel. Das heißt, dass jeder einen
Spieler bekommt, einen Spielernamen. Und immer wenn der Kommentator
seinen Namen sagt, dann muss man einen Kurzen trinken. Also einen
kleinen Schnaps. Sodass man nach diesen 90 Minuten dann… Auf jeden
Fall war die Stimmung dann sehr, sehr gut angeheitert und es wurde ein
richtig lustiges Osterfest. So hab ich mein Ostern verbracht und im
Gegensatz zu dir hab ich Eier gesucht. Das machen wir in unserer Familie
trotzdem noch jedes Jahr. Auch wenn meine Geschwister und ich schon
ein bisschen aus dem Alter raus sind eigentlich. Aber diese Tradition
pflegen.
Genau, wir machen das auch immer, normalerweise. Also wenn ich in
Deutschland bin, dann machen wir das auch immer. Und ich finde das
irgendwie eine schöne Tradition, oder?
Auf jeden Fall. Jedes Mal wieder aufgeregt, aber ich habe auch immer das
Pech, dass ich nicht so richtig viel finde. Ehrlich gesagt, ich stelle mich da
ein bisschen zu dumm an, glaube ich.
Und versteckt ihr die Eier dann irgendwo im Garten oder geht ihr raus in
den Wald z.B. und versteckt die da?
Nee, nee. Also meine Eltern verstecken die immer in ihrem Garten und in
Büschen, in Regenrinnen, unter Pflanzenkübeln.
Ganz genau, so kenne ich das auch. Eine sehr schöne Tradition. Ja, hier
gibt’s eine andere Tradition mit so einer Oster-Rute. Also eine Rute, das
sind eigentlich so mehrere Äste zusammengebunden, mehrere Äste und
Zweige von einem Baum oder Strauch. Die Männer schlagen dann
sozusagen, natürlich nur ganz leicht, die Frauen aufs Hinterteil, um ihnen
die bösen Geister auszutreiben, damit sie fürs nächste Jahr Gesundheit
und Glück beschert bekommen. Also dass sie alle gesund sind und
glücklich sind, das ist die Tradition hier. Und als Dank bekommen die
Männer dann von den Frauen ein Ei und etwas Süßes.
Okay. Lustige Tradition? Wahrscheinlich ein bisschen…nicht mehr ganz
zeitgemäß, würde man sagen, glaub ich, oder? Aber ich glaube,
Traditionen sind eben so, das muss man nicht immer verstehen, oder?
Ja, genau. Das ist einfach so. Also ich finde es auch ganz witzig. Ich kenne
es ja eigentlich gar nicht. Ich hab’s ja zum dritten Mal, glaub ich, hier
verbracht. Also letztes Jahr hab ich es hier verbracht. Dieses Jahr hab ich
Ostern hier verbracht, in Tschechien und dann schon mal vor drei oder vier
Jahren. Und ich finde es immer noch witzig. Ich kann mich damit jetzt nicht
so identifizieren, sag ich mal. Ich verstehe z.B. nicht, wieso die Frauen
nichts kriegen oder wieso man die Frauen schlagen muss. Aber gut. Ja, so
ist es halt mit Traditionen. Also wie gesagt, man schlägt sie ja nur ganz
leicht. Man deutet das an. Also niemand wird verletzt.
Auf jeden Fall interessant. Ich wusste das nicht. Aber Tradition ist natürlich
auch ein sehr gutes Stichwort. Wenn wir über unser heutiges Thema
nachdenken oder?
Genau, definitiv! Und auch nochmal auf das Zitat bezogen, weil Heimat ist
ja ein Gefühl und kein Ort. Und das gilt auch für mich.
Okay, da sind wir schon mal sind wir schon mal sehr gut drin. So so schnell
wollte eigentlich noch gar nicht reingehen ins Thema.
Dann komme ich später noch dazu.
Kommen wir später noch dazu. Ich wollte nämlich erstmal ein kleines Spiel
mit dir machen. Also zur Einführung. Und zwar das Assoziationspiel. Ein
paar von euch werden das schon kennen aus meinem aus meinem
vorherigen Podcast. Und zwar funktioniert das so: Ich sage dir einen Begriff
und du sagst mir das erste, was dir dazu einfällt. Das kann ein Wort sein,
das können mehrere Worte sein. Auf jeden Fall werde ich ein paar Begriffe
nennen, die alle so ein bisschen mehr oder weniger mit dem Thema
Heimat zu tun haben.
Okay. Ich bin gespannt. Leg los!
Fangen wir mal an. Landschaft.
Züge.
Das kannst du mir später erklären. Wohnzimmer.
Wohnzimmer. Zuhause.
Vaterland.
Deutschland. Ich soll ja das erste sagen, was mir einfällt.
Vollkommen richtig. Fernweh.
Corona.
Oh, Okay. Ich hinterfrage erst mal nicht. Familie.
Deutsch.
Ausland.
Fernweh hätte ich jetzt auch als erstes gesagt. Reisen.
Reisen passt. Dann hatte ich noch Sachsen.
Oh, herrlich. Sage ich da als erstes.
Sachsen, für alle von euch… ein Bundesland in Ostdeutschland. Benjamins
Heimat. Identität.
Benjamin.
Dann Fremde.
Menschen, die ich noch nie gesehen habe oder die ich nicht kenne, mit
denen ich noch nie gesprochen habe.
Interessant. Da komme ich gleich nochmal drauf. Deutschland.
Ich vermisse Deutschland, das ist das erste, was mir dazu einfällt, jetzt,
wenn du mich 2021 danach fragst.
Und dann nochmal zum Schluss zu Hause.
Gemütlichkeit, Geborgenheit. Da, wo ich mich wohlfühle.
Okay. Ich würde nämlich gleich mal da einsteigen, was du gerade gesagt
hast. Du vermisst Deutschland. Warum? Erklär mir das mal! Fehlt dir etwas
bei dir zu Hause dort wo du wohnst? Oder was ist der Grund dafür?
Ach, das hat mehrere Gründe. Wir drehen ja diese Folge jetzt im April
2021, das heißt mitten in der Corona-Zeit. Und ich war das letzte mal zu
Weihnachten in Deutschland. Und deswegen vermisse ich Deutschland
einfach aus dem Grund, weil ich das Land mag. Weil mir sozusagen das
Gefühl fehlt, dass ich raus auf die Straße gehe und Deutsch höre, meine
Muttersprache. Und dann einfach…manchmal kann man das nicht so
richtig beschreiben. Heimat ist eben ein Gefühl, auch ganz oft. Jetzt sage
ich zwar, ich vermisse Deutschland. Ich habe nicht als erstes gesagt ich
vermisse meine Familie. Die vermisse ich auch. Das ist auch ein Grund,
weil meine Familie ja in Deutschland ist. Also das ist natürlich oft auch mit
einem Ort oder vielleicht mehreren Orten verbunden. Aber manchmal ist
das einfach so. Wenn ich z.B. nach langer Zeit zum ersten Mal wieder nach
Deutschland komme, dann weiß ich nicht, hab ich so ein total tolles Gefühl
wie ein kleines Kind. Bin total aufgeregt, total enthusiastisch und denke: Oh
ja, genau das ist Deutschland. Hier komme ich her. Ich weiß nicht, kannst
du das irgendwie nachvollziehen dieses Gefühl?
Auf jeden Fall. Ich habe ja auch schon in der Vergangenheit längere Zeit
mal im Ausland gewohnt. Ich habe mal einige Monate in Spanien gewohnt,
einige Monate in Italien und auch während dieser Phasen wieder mein
Heimatland, mein Herkunftsland, also Deutschland besucht. Also ich kenne
dieses Gefühl, glaube ich, ziemlich gut. Wahrscheinlich nicht so intensiv
wie du, wo du jetzt wirklich dauerhaft im Ausland wohnst. Aber dieses
Vermissen auf jeden Fall. Wobei ich dann aber auch immer wieder… Das
kommt immer drauf an, also wenn ich z.B. auf einer kürzeren Reise war,
vielleicht mal zwei Wochen im Urlaub, dann denke ich mir ganz oft:
Eigentlich, am Ende des Urlaubs, eigentlich möchte ich noch gar nicht
zurück. Eigentlich würde ich noch viel lieber hierbleiben. Und ich möchte
noch überhaupt nicht nach Deutschland. Ich vermisse da nichts. Trotzdem
ist dieses Gefühl der Heimatverbundenheit auf jeden Fall bei mir immer
extrem präsent, egal wo ich bin. Also ich versuche auch z.B. im Ausland
immer den Namen meines Lieblingsverein zu verbreiten. Lustiges Beispiel,
wir hatten ja Hansa Rostock gerade. Also ich möchte immer, dass im
Ausland jeder weiß, dass ich Fan dieses Vereins bin. Deswegen trage ich
auch gerne das Trikot. Wenn ich auf Reisen bin. Die Leute sprechen mich
tatsächlich darauf an. Das ist unglaublich. Die Leute sprechen mich drauf
an. Was ist das für ein Verein? Wo kommst du her? Und so weiter. Das ist
immer ein super Gesprächseinstieg. Und diese Heimatverbundenheit trage
ich eben auch ganz oft dadurch zum Beispiel nach außen. Und mir ist es
schon wichtig, dass einerseits für mich, dass meine Identität, dass ich mir
über meine Identität dadurch so ein bisschen auch immer wieder klar
werde. Und andererseits finde ich es einfach interessant auch und schön,
dass ich mich mit Leuten aus dem Ausland dann darüber unterhalten kann
und sie sich dafür interessieren, wo ich herkomme.
Ja, das ist so ein bisschen so ähnlich. Ich lebe ja hier jetzt schon seit
anderthalb Jahren ungefähr oder erst seit anderthalb Jahren. Wie man es
nimmt. Und ich habe es mir eigentlich zur Gewohnheit gemacht, obwohl ich
auch Tschechisch spreche, dass ich eigentlich immer wenn ich draußen
bin, Deutsch spreche. Also natürlich nicht mit den Leuten, weil es ja nicht
alle verstehen. Aber wenn ich mit Bekannten rausgehe oder Menschen, mit
denen ich hier zusammen lebe und so weiter und die können Deutsch,
dann – und die können natürlich auch Tschechisch, ja, die können beide
Sprachen – aber dann sprechen wir immer Deutsch, weil das ist mir immer
so ein Bedürfnis. Mir gefällt es einfach, dass ich für mich wie so eine kleine
Welt dann oder so eine kleine Blase, könnte man sagen, hat auch ein
bisschen vielleicht eine negative Konnotation, manchmal, aber so einen
kleinen Bereich schaffe, wenn ich da zum Beispiel mit der Straßenbahn
fahre und der einzige bin, natürlich mein Gesprächspartner auch, wir sind
die einzigen, die Deutsch reden. Das heißt, alle anderen sprechen nicht
Deutsch. Vielleicht gibt es jemanden, der es versteht, aber, du weißt, wie
ich das meine, oder? Man hat so ein bisschen noch Privatsphäre. Man hat
sein Zuhause, quasi, seine Heimat da mitgebracht. Also obwohl ich in
einem anderen Land bin. Aber ich spreche meine Sprache und das ist so
ein Gefühl.
Also ist Heimat für dich, so wie ich jetzt da raushöre, zu einem großen Teil
deine Muttersprache.
Also genau, bei mir spielen da ganz viele Dinge mit rein. Und deswegen
finde ich auch, dass Heimat so ein ganz schöner Begriff ist, weil es nicht
klar definiert ist. Ich glaube, jeder definiert das auch für sich, was Heimat
für ihn bedeutet. Also für mich bedeutet Heimat eigentlich sowohl ein Ort,
wo ich mich geborgen fühle. Also Geborgenheit ist auch so schönes
deutsches Wort. Also du fühlst dich wohl, du fühlst dich akzeptiert, du fühlst
dich geliebt, aufgenommen. Ja, also in gewisser Weise ist auch das jetzt
hier meine Wahlheimat geworden. Ja, weil ich fühle mich hier auf jeden Fall
geborgen. Ich fühl mich hier wohl. Ich habe hier Menschen, die mich lieben
und die ich liebe. Aber es gibt eben noch andere Dinge, die da reinspielen.
Die Sprache spielt bei mir eine ganz große Rolle. Also ich kann mir nicht
vorstellen, irgendwo zu leben und komplett auf Deutsch zu verzichten, auf
die deutsche Sprache. Also das gehört für mich dazu. Und wenn ich mir
nur ein deutsches Radio übers Internet anmache und einfach diesen…das
ist auch so was witziges. Ich höre auch so regionale Radiosender, teilweise
aus Deutschland, einfach um diesen Kontakt zu haben, um das Gefühl zu
haben, dass ich eigentlich in Deutschland quasi bin. Also die Sprache und
meine Familie ja, also die Leute, mit denen ich aufgewachsen bin. Also
wenn die jetzt nicht mehr in Deutschland wären, dann hätte ich vielleicht
noch eine dritte Heimat, nämlich da, wo die sind.
Und genau da sprichst du was Gutes an. Man kann definitiv mehr als eine
Heimat haben. Würdest du das so sehen?
Ja, würde ich so sehen. Wobei ich immer sagen würde Heimat und
Wahlheimat. Also Heimat ist schon vielleicht noch ein bisschen mehr als
das hier, wo ich jetzt bin. Das würde ich eher als meine Wahlheimat
bezeichnen. Aber dieses Gefühl, z.B. was ich dir vorhin gesagt habe, wenn
ich nach längerer Zeit zum ersten Mal nach Deutschland komme, dann bin
ich so wie ein kleiner Junge so richtig fröhlich. Und das Gefühl habe ich
nicht, wenn ich hierher zurückkomme nach langer Zeit. Also dann sage ich
auch „Okay, ich freue mich jetzt, dass ich wieder zuhause bin. Und hier hab
ich meine ganzen Sachen und alles.“ Aber diesen Enthusiasmus spüre ich
da nicht.
Okay, also dieses Heimatgefühl, wie du zum Anfang dieses Zitat gebracht
hast, von Herbert Grönemeyer, das muss auf jeden Fall mit einem
positiven Gefühl verbunden sein, ja? Oder kann man… Wenn du sagst,
eine Wahlheimat, Tschechien ist deine Wahlheimat, dann heißt das
trotzdem, dass du dich aber dort wohlfühlen musst, um es als deine
Wahlheimat zu bezeichnen? Oder könnte es auch so sein, dass wenn du
dich an einem Ort nicht wohl fühlst, aber du wohnst nun mal dort, weil du
dort arbeiten musst, kann das trotzdem deine Wahlheimat sein? Verstehst
du die Frage?
Ja, natürlich.
Entschuldigung, das war ein bisschen kompliziert formuliert, deswegen.
Nee, alles gut. Ich verstehe die Frage. Also ja, es ist definitiv mit einem
positiven Gefühl verbunden. Also wenn ich irgendwo wohnen muss und ich
will da eigentlich gar nicht wohnen und fühl mich da nicht geborgen z.B.,
fühle mich da nicht wohl aufgenommen, kenne da niemanden oder ich hab
da nur die Arbeit und will eigentlich so schnell wie möglich wieder weg,
wenn ich frei hab, dann will ich das nicht als meine Wahlheimat
bezeichnen. Deswegen, Heimat ist nicht unbedingt zu Hause. Das
Zuhause ist das, wo du wohnst einfach. Ich könnte auch noch ein Zuhause
vielleicht irgendwo in Amerika haben. Also vielleicht hab ich da ein Haus
gebaut und dann fahr ich da immer wieder hin. Das würde ich aber nicht
als meine Wahlheimat bezeichnen. Es sei denn, ich hab dann da auch eine
Familie und baue mir da wirklich richtig ein Leben auf und hab da dauerhaft
Leute, die mich annehmen, akzeptieren, lieben, wo ich mich wirklich richtig
auch dauerhaft wohlfühle. Dann würde ich das dann auch aus meine
Wahlheimat bezeichnen, so wie es ja jetzt hier auch ist.
Aber das, was du eben gesagt hast, das fand ich nochmal ganz wichtig
herauszustellen. Ich weiß ja nicht, wie sehr Deutschlerner damit z.B. ein
Problem haben, mit diesem Begriff Heimat. Aber wir hatten uns ja auch
schon mal im Vorfeld darüber unterhalten, dass Heimat ja nicht in jeder
Sprache existiert. Dieser Begriff ist ja nicht übersetzbar in jede Sprache.
Also Home ist nicht unbedingt gleich Heimat. Engländer z.B. oder der
englischsprachige Menschen verwenden wahrscheinlich, da bin ich mir
nicht hundertprozentig sicher, aber auch nicht für das, was wir mit Heimat
ausdrücken wollen, nicht unbedingt immer Home. Z.B. ..Jetzt bin ich mir
unsicher.. Das bessere Beispiel z.B. Französisch, da weiß ich, dass es
Pays s’origine heißt, d.h. quasi so viel übersetzt wie Herkunftsland. Aber
wenn wir über Heimat reden, dann bezeichnen wir damit nicht nur das
Land der Herkunft, sondern eben, wie wir gerade gesprochen haben, noch
ganz andere Gefühle. Die wir damit verbinden.
Genau richtig, weil z.B. mein Herkunftsland ist Deutschland. Ich würde aber
jetzt auch nicht sagen, dass überall jeder Ort in Deutschland meine Heimat
ist. Also natürlich, wenn ich jetzt von einem anderen Land aus Tschechien
beispielsweise nach Deutschland komme, dann ist natürlich erstmal das
Land egal, wo ich jetzt über die Grenze fahre, dann hab ich, egal wo ich bin
in Deutschland erstmal dieses Gefühl, ich bin wieder zurück in meiner
Heimat. Aber ich bin natürlich noch nicht komplett angekommen. Also
meine Heimat, wenn ich das jetzt auf einen Ort vielleicht doch irgendwie
oder auf einige Orte begrenzen müsste, dann wäre das schon so da, wo
meine Familie ist, da wo ich aufgewachsen bin, ja wo, wo ich mich immer
willkommen fühle und wo ich immer hingehen könnte, auch wenn ich
vielleicht niemanden mehr hätte. Aber da könnte ich immer hingehen und
da würde ich noch jemanden finden, der mich noch aufnehmen würde z.B.
und das wäre jetzt in, beispielsweise München, nicht der Fall. Also da
kenne ich niemanden oder niemanden, der solche Gefühle in mir auslösen
würde oder mich da so aufnehmen würde oder sowas. Also das wäre jetzt
nicht meine Heimat. Bayern beispielsweise. Aber Sachsen, das war ja auch
das erste, was ich dann gesagt hab, oder? Sachsen? Also das geht schon
in die Richtung Heimat. Also da ist meine Familie. Und dann sind wir auch
wieder bei der Sprache. Also ich weiß, dass viele den sächsischen Dialekt
nicht mögen, aber ich persönlich finde den jetzt auch nicht wunderschön,
muss ich sagen. Aber wenn ich das höre, das löst einfach in mir wieder
dieses Gefühl aus. „Ah, das ist jemand, der kommt auch von da, wo ich
auch herkomme und der versteht mich. Der kennt mich quasi. Also auch
wenn er vielleicht fremd ist, ich ihnen noch nicht gesehen hab im Leben.“
Also ich würde auch sagen, das heißt auch so ein Stück weit dass…Also
ein Teil deiner Identität ist ja auch dieser Dialekt, diese diese Sprache.
Ja, hundert pro, natürlich.
Und das heißt ja im Umkehrschluss wiederum ein Stück weit, dass man
ohne Heimat keine Identität hat, kann man das so sagen?
Oh, das ist sehr philosophisch, ja, könnte man vielleicht sagen, dass man
ohne Heimat keine Identität hat. Ja, warum nicht?
Oder hat jeder Mensch eine Heimat? Das ist das, was ich für mich noch
nicht so ganz klären konnte. Hat jeder Mensch eine Heimat, nur weil er
irgendwo herkommt, nur weil er irgendwo geboren ist? Oder gibt es
Menschen, die vielleicht in diesem Sinne gar keine Heimat haben?
Das ist schwer zu beantworten, weil ich glaube wirklich jeder das für sich
selbst definiert. Es gibt bestimmt Menschen, die keine Heimat haben. Oder
es gibt auch Menschen…Ich hab z.B. Menschen getroffen, die sagen, ich
bin eher kein Tscheche oder Deutscher oder sowas. Ich bin einfach ein
Bewohner der Welt oder ein Bewohner der Erde. Also sowas kann auch
eine Auffassung sein. Ich habe jemanden getroffen hier in Tschechien, der
das gesagt hat. Das ist so wie so ein Weltenbummler, der gerne reist und
auch mit Schlafsack und Zelt. Ja, er fliegt einfach in irgendwelche fernen
Länder wirklich weit weg und interessiert sich gar nicht für Hotels oder
sowas, sondern er will die Menschen dort kennenlernen. Und ist nicht
unbedingt reich und schläft dann teilweise wirklich im Wald, irgendwo oder
im Auto oder wo auch immer, wie er da sich fortbewegt. Genau. Und dann
hab ich ihn mal gefragt, fühlst du dich eigentlich irgendwo zu Hause? Hast
du irgendwie das Gefühl auch von Heimat? Kennst du das? Dann hat er
gesagt, naja, also Heimat ist für mich eigentlich die ganze Welt. Also er
fühlt sich überall zu Hause.
Schön, wenn das so ist. Also finde ich gut. Kann ich mir für mich persönlich
aber nicht vorstellen, dass ich das jemals so sehe. Also ich bin auch
unheimlich…also ich liebe es zu reisen. Ich liebe es, in fremde Kulturen zu
gehen, die Menschen kennenzulernen, die Sprachen zu sprechen usw.
Das ist für mich alles ein unheimlich wichtiger Teil meines Lebens
geworden. Aber trotzdem verbinde ich mit dem Heimatbegriff immer das
Ursprüngliche, also das, wo ich wirklich herkomme. Also Heimat ist für
mich vor allem ortsgebunden. Natürlich spielen da aber auch noch andere
Faktoren mit rein. Also, Heimat bedeutet für mich hier die Region in
Nordostdeutschland, also an der Küste, an der Ostsee. Heimat bedeutet für
mich ganz viel Familie. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn meine Familie
nicht hier wohnen würde, aber ich glaube, ich würde es trotzdem immer
noch als meine Heimat bezeichnen, weil hier eben auch so viel ist, was
meine Identität so unheimlich geprägt hat. Also das einfachste Beispiel
wieder der Fußballverein Hansa Rostock ist ein wichtiger Teil meiner
Identität. Und das ist für mich ein großer Teil Heimat.
Ja, genau. Genauso ist es bei mir auch. Der Begriff ist einfach wahnsinnig
schwer zu fassen, glaube ich. Also auch für uns Deutsche. Also wir
verbinden schon alle was damit. Jeder hat so seine Definition davon. Aber
man kann das auch nicht in einem Satz vielleicht erklären. Also bei mir ist
das ähnlich wie bei dir. Also ich verbinde damit schon diese Region
Sachsen, vielleicht. Ich würde aber nicht nur sagen Dresden, ich würde
schon vielleicht auf Sachsen gehen. Ja, also meine Mutter hat auch lange
Zeit in Leipzig gewohnt. Vielleicht liegt es auch daran. Also dann hab ich
auch dahin, irgendwie…also wenn ich in Leipzig jetzt wäre, hätte ich auch
da dieses Gefühl, mich heimisch zu fühlen, zu Hause zu fühlen, obwohl ich
da eigentlich jetzt nicht wohne oder so. Und auch nie selbst lange gewohnt
habe. Aber dann sehe ich da Dinge oder wie es bei dir mit Hansa Rostock
ist, ist bei mir, ich bin ja so Straßenbahn-Fan. Ich interessiere mich für
Bahnen und so.
Ja, hab ich auf Instagram gesehen.
Genau. Und wenn ich nur eine Dresdner Straßenbahn sehe, dann bin ich
so, das ist wie bei dir mit dem Fußballverein. Damit hab ich so viele
Erinnerungen einfach, mit diesen Bahnen. Einfach nur, weil die aus
Dresden kommen. Also dieses gleiche Gefühl hab ich nicht, wenn ich eine
Bahn in Rostock sehen würde. Die finde ich auch interessant, natürlich.
Gehört auch zu meinem Hobby dazu. Aber mit der Rostocker Straßenbahn
verbindet mich natürlich in dem Sinne nichts. Aber mit der Dresdner
Straßenbahn schon. Da hab ich Fotos gemacht. Ich bin als kleiner Junge
zu den Endstation einfach hin und zurückgefahren und sowas. Solche
Erinnerungen hab ich natürlich in Rostock nicht. Also das spielt alles mit
rein. Und aber eben auch meine Familie und die Sprache. Das sind alles
Dinge, die da mit reinspielen. Aber ich glaube, hauptsächlich sind das auch
so Dinge, die man sehen kann. Also der Ort.
Also ich stimme dir hundertprozentig bei allem zu. Es ist schwer zu fassen
irgendwie, aber….
Also klar zu definieren, was das eigentlich ist. Aber ich glaube, die Leute,
die sich das jetzt anhören und vielleicht…entweder gibt’s ja den Begriff in
den entsprechenden Muttersprachen. Also dann versteht man das,
wahrscheinlich kann man das sehr gut nachfühlen. Und wird das
bestätigen können, dass das nicht so einfach ist zu sagen, was das genau
ist. Oder es gibt den Begriff nicht. Oder es gibt nur sowas wie auf
Französisch, sowas wie Herkunftsland.
Aber das ist nicht, also Herkunftsland ist nicht genau das, was Heimat für
mich ist, einfach nur mein Herkunftsland.
Das letzte Thema, was ich vielleicht nochmal ansprechen würde: Ich
glaube, der Heimatbegriff ist ja hin und wieder auch mal ein bisschen
negativ belastet. So ein bisschen politisch aufgeladen. Wenn ich
beispielsweise drüber nachdenke, also ich hab immer das Gefühl, je mehr,
naja, wie soll man das sagen? Es gibt Regionen, in denen der
Heimatbegriff so wirklich schon in eine Richtung geht, wo dieser
Lokalpatriotismus eben auch sehr stark ist. Also ich glaube z.B. dass
gerade in den ostdeutschen Bundesländern oder in einigen Regionen ist
dieses Thema Lokalpatriotismus sehr stark. Da wird viel vom „Wir“ und
vom „Ihr“ gesprochen und weniger vom „Uns“. Das ist mein Eindruck. Und
Leute, die das so so sehen, versuchen dann aber auch oft, ihre Heimat und
den Wert und die Bedeutung ihrer Heimat als Ortsgebundenes
herauszustellen. Verstehst du, wie ich das sagen will?
Also du meinst, dass es dann auch so in diese nationale Richtung vielleicht
geht?
Genau. Schon so ein bisschen. Und das so die Frage, welchen Eindruck
hast du da? Also ist Heimatliebe vielleicht so ein bisschen sowas wie die
Vorstufe von Patriotismus? Kann man das so sagen? Oder was sind deine
Beobachtungen?
Bei manchen Menschen vielleicht. Manche würden sich auch bedroht
fühlen von Migranten z.B. Ja und würden sagen: „Nee, die gehören hier
nicht her. Die sollen in ihrer Heimat bleiben. Das ist unsere Heimat und
meine Heimat hat nichts mit Migranten zu tun“, oder sowas. Aber solche
blöden Leute gibt’s immer. Also ich würde nicht sagen, dass das die
Normalität ist und ich würde auch nicht sagen, dass das die Vorstufe zum
Patriotismus ist, weil…
Das war auch eine provokante These.
Ja, sehr provokant. Würde ich nicht sagen, also ich glaube nicht, dass ich
jetzt eine Ausnahme darstelle, wenn ich jetzt mal rumfragen würde, in
meiner Familie beispielsweise oder in meinem Freundeskreis, wie die
Heimat definieren. Ich glaube, da würde keiner sagen „wo nur Deutsche
sind“ oder „wo nur unsere alten Traditionen gepflegt werden“ und „fremde
Sachen haben da nichts zu suchen“ oder sowas. Also das würde da
niemand sagen. Ich glaube, die würden alle sowas Ahnliches sagen wie
ich. Viele würden das mit dem Ort vielleicht in erster Linie verbinden und
dann eben auch das dann andere Faktoren eine Rolle spielen, also Familie
und eventuell die Sprache. Wobei die Sprache, ich glaube, dessen war ich
mir früher gar nicht bewusst. Als ich noch in Deutschland gelebt habe,
wenn du mich damals gefragt hättest, dann hätte ich vielleicht gar nicht
gesagt „die Sprache“. Das ist mir erst jetzt bewusst geworden, weil
dadurch, dass ich hier einfach, wenn ich das Haus verlasse, dann höre ich
natürlich kein Deutsch. Ist ja klar. Es gibt natürlich mal irgendjemanden, der
Deutsch spricht, aber alles, was man hier sonst normalerweise hört, ist
Tschechisch. Das ist nicht das, was mein Herz berührt, sozusagen.
Tschechisch. Ich kann die Sprache, ich mag die Sprache, aber die berührt
nicht mein Herz. Aber wenn ich jemanden Deutsch sprechen höre, dann
fühle ich mich gleich…ja, dann hab ich dieses Heimatgefühl. Ich kenn den
überhaupt nicht. Aber ich hab einfach nur, dadurch, dass ich das höre,
dieses Gefühl „Ach jemand von uns“ oder sowas.
Und das ist ja das perfekte Beispiel dafür, dass Heimat, dass der
Heimatbegriff nicht ortsgebunden ist, weil du kannst von Tschechien nach
Bayern fahren, in eine Region, aus der du nicht kommst. Trotzdem redet er
Deutsch und du hast dieses Heimatgefühl, ja?
Genau richtig! Oder Ich bin sogar hier und ich höre nur jemanden, der hier
Deutsch spricht. Und ich kann auch hier dieses Heimatgefühl haben.
Sehr gut, genau so ist es. Also ich hoffe, das ist nun ein bisschen klarer
geworden, was Heimat heißt. Ihr merkt, wir haben es selbst noch nicht so
hundertprozentig ergründen können. Aber wir haben beide unsere
Vorstellung davon, so wie jeder Mensch wahrscheinlich seine eigenen
Vorstellungen davon hat. Oder jeder Deutsche. Und es ist auf jeden Fall
ein sehr spannendes Thema, wo wir wahrscheinlich noch stundenlang
drüber weiter philosophieren könnten. Aber ich denke, wir belassen es
dabei für heute.
Sagt uns doch gerne euch, ob das auch gefallen hat. Wenn. Wenn es
euch gefallen hat, dann würden wir uns über gute Bewertungen freuen.